Pause, bitte eine Pause!!
Eine ganz normaler Sonntag („Ruhetag“ übrigens)
Elternschaft hat viel mit Verantwortung zu tun und wenn wir unsere Werte mal nicht ganz leben können, dann kommen diese unangenehmen Schuldgefühle. Kennst Du das?
Ich erinnere mich von der Woche ausgelaugt und fertig gewesen zu sein. Dieser Moment in dem das Energielevel völlig auf Null zeigt. Natürlich, denke ich, ist mal wieder keiner da, der mir die Kinder abnehmen kann. Ich merke wie Wut in mir aufsteigt. Wut darüber, dass keiner da ist der mir helfen könnte. Kein Clan, kein Dorf. Ja, auch mein Mann steht jetzt nicht gleich in der Tür und rettet mich, er muss nämlich arbeiten, hat spontan einen Dienst übernommen. Er kann nun wirklich nichts dafür. Trotzdem Wut. Die Verzweiflung und Hilflosigkeit ergreifen Besitz von mir und mein Körper ist einfach nur noch müde und will schlafen. Was tue ich bloß? Darf ich mich ausruhen?
Die Bande (ich höre es aus dem Nachbarzimmer zu mir rüber klingen) gerät zunehmend außer Rand und Band. Als ob sie meine Wehrlosigkeit spüren würden und absichtlich lauter werden: der Geräuschpegel steigt. Zumindest kommt es mir so vor. Gleich kommt der nächste Streit zwischen den Kindern den ich schlichten muss, was mache ich nur? Ich kann nicht mehr, ich will nicht! Mein Körper rebelliert. Ich versuche tief durchzuatmen, es fühlt sich aber alles so eng an. Dann gehen die Gedanken los:
Fernsehen! Ich könnte einfach die Glotze anmachen, dann wären sie ruhig und ich könnte mal kurz schlafen. Ein kleiner Hoffnungsschimmer strömt durch meinen Körper und ein Atemzug lang spüre ich wie Last abfällt. Doch dann sekundenschnell schlägt das nächste Schuldgefühl ein und verdirbt es mir wieder. Ich höre eine Stimme: „Die Kinder von heute werden immer vor dem Fernseher geparkt, was soll dabei herauskommen“…
Die andere Stimme sagt: So schlimm ist es doch nicht, Du kannst Dich noch ein bisschen zusammenreißen: setz dich dazu und schau mit. Nein, will ich nicht sagt mein Körper. Es zieht sich alles zusammen. Es geht nichts mehr rein, der Kopf ist voll, er kann gefühlt keinen einzigen Reiz mehr ertragen.
Na klar ist nichts dagegen einzuwenden, ein wenig fernzusehen. solange es die Kinder nicht überfordert. Aber das stimmt eben nicht, meine Kinder sind unterschiedlichen Alters und was den einen nicht überfordert tut es halt beim anderen. Ja im Notfall würde ich das tun! Klar. Aber es ist ja gar kein Notfall, sagt die innere Stimme. Es ist verdammt nochmal ein stink normaler Sonntag, er läuft ab wie häufig und nein, ich will dabei sein wenn meine Kinder Fernsehen schauen. Ich will sie dabei begleiten, sie sind noch so klein. Also schiebe ich diese Lösung weg. Ich darf jetzt keine Schwäche zeigen, ich reiß mich zusammen. Mein Körper rebelliert sofort. Wut. Am liebsten würde ich sie jetzt anschreien: „Lernt doch endlich mal Euch mit Euch selbst zu beschäftigen! Lernt doch mal dies, lernt doch mal jenes…!“ Ja sogar „werdet doch mal erwachsen!“ ging mir schon durch den Kopf. Wie bescheuert ist das denn? Ich sage nichts. Ich gehe in mich und frage mich ob die Wut wirklich an meinen Kindern auslassen möchte. Das Gras wächst nicht schneller wenn ich an ihm ziehen. Die Kinder dürfen bedürftig sein, sie werden früh genug lernen und v.a. erwachsen.
Dann denke ich: Naja, was würde ich mir denn für meine Kinder wünschen wenn sie so fertig und am Ende sind wie ich jetzt? Ganz klar ich würde Ihnen eine Pause wüschen! Und da löst sich plötzlich bei mir etwas. Wieso gönne ich mir die Pause nicht?
Wie wäre es wenn ich es als Chance sehen würde? Meine Kinder hätten jetzt die tolle Chance zu lernen sich mit sich selbst zu beschäftigen und zu lernen für sich selbst einmal (freundlich und klar!) eine Grenze zu setzen wenn Sie sie brauchen. Ohne Fernsehen! Mit Fernsehen hätten sie diese Chance nicht da hätte ich sie nur abgelenkt. Sie könnten lernen sich für sich selbst einzusetzen und eine Pause zu machen. Einfach an meinem Vorbild. Weich und warm fühlte sich mein Körper plötzlich an.
Wenn ich es jetzt schaffe mit gutem Gewissen mir diese Pause zu gönnen, denke ich, dann können sie das an meinem Vorbild lernen und sich später einmal eine Pause gönnen wenn sie es wirklich brauchen statt sich bis ultimo auszulaugen. Später kann ich da nämlich nur noch zuschauen und mitleiden, aber nichts mehr ändern. Jetzt könnte ich Ihnen das noch beibringen. es ist sogar meine wichtigste Aufgabe für jetzt, damit ich danach wieder fit bin und wieder für sie da sein kann!
Mein Körper wird ruhig, die Wut wird weniger. Ja, mein Herz fängt sogar ein bisschen an zu Hüpfen bei dem Gedanken, dass das sogar meine Aufgabe, ja meine Pflicht ist, das den Kindern beizbringen! Nur so hätte ich danach auch wieder die Kraft für sie da zu sein.
Ich beschließe mich mit gutem Gewissen auszuruhen und erkläre Ihnen freundlich, dass ich jetzt mal für einen Moment Pause mache.
Ich gehe hinüber ins Zimmer verkünde vergnügt, dass ich jetzt eine Pause mache, weil man das so macht wenn man erschöpft ist und das tut gut und danach hat man wieder viel Kraft hat. Ich schaute in 6 große Augen und für einen Moment schien die Zeit stehen zu bleiben. Ich fragte sie ob Ihnen was einfallen würde was sie in der Zeit tun könnten.
Und, guess what? Es fiel Ihnen was ein und ich hatte meine Pause und konnte Kraft schöpfen und ich habe nicht schimpfen müssen (das lässt mich nämlich mit einem noch größeren Schuldgefühl zurück) und einfach mal darauf vertraut, dass sie das hinkriegen und verstehen und für sich was daraus lernen können. Ich merke wie ich ein kleines Stück über mich hinausgewachsen bin. Das wünsche ich Dir auch: Dass Du deinem inneren Vertrauen näher kommst, Du auf deinen Körper hören kannst und damit eine gute Erfahrung machst. Dass Du Dir was gönnen kannst und damit deinen Kindern vorlebst sich etwas zu gönnen. Weil das ist es doch was wir Ihnen für später wünschen. Wir wollen, dass sie sich mal was gönnen können und das menschlichste daran ist doch die Pause. Die brauchen wir doch alle! Na los, mach eine Pause, gönn Sie Dir!!